Asbest in Innenräumen – unbekannt, unterschätzt oder einfach ignoriert

Viele Menschen gehen davon aus, dass Asbest ein Relikt aus alten Tagen sei und heute keine Rolle mehr spiele. Andere denken bei Asbest in Zusammenhang mit Wohngebäuden höchstens an die typischen Wellasbest-Dachplatten. Dabei ist Asbest möglicherweise auch in Ihrem Haus vorhanden, sofern Ihr Haus vor 1995 erbaut wurde.

Viele Privatpersonen und leider auch betroffene Handwerksbetriebe unterschätzen das Thema Asbest in Innenräumen auch heute noch oder wissen aufgrund von fehlender Aufklärung und ungenügenden Schulungen wenig bis nichts darüber.


Häufig unbekannt ist die Tatsache, dass Asbest in einer Vielzahl von Baumaterialien enthalten sein kann, die in Innenräumen verbaut sind.

Von hoher Priorität für viele Handwerksbetriebe aus vielen verschiedenen Gewerken ist das Thema asbesthaltige Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber. Dieses Thema gewinnt aktuell zunehmend an Aufmerksamkeit. Dabei ist dieses Thema nicht neu und wurde schon in der Gefahrstoffverordnung von 1986 behandelt. Kurios, die Stoffe werden heute als die „neuen Asbestprodukte“ bezeichnet. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass bislang vielen Anwendungsbereichen nicht ausreichend Beachtung geschenkt wurden. Immer mehr neue Fundstellen von asbesthaltigen Baustoffen, insbesondere in Spachtel, Strukturputzen und Fliesenklebern von Wand- und Deckenbekleidungen, bestätigen die aktuelle Brisanz des Themas. Im Zusammenhang mit den „neuen“ Asbestprodukten handelt es sich vordergründig um ein Arbeitsschutz- und Entsorgungsproblem. Personen als Nutzer und Bewohner der Gebäude sind häufig zunächst nicht gefährdet, sofern die Baustoffe unbeschädigt
sind. Daher ist ungerechtfertigte Panikmache absolut fehl am Platz.

 

Besonders häufig betroffene Materialien sind Bodenbelagsplatten (Vinyl-Asbest-Platten / Flex-
Platten) inkl. dem dazugehörigen schwarzen Bitumenkleber, Cushion-Vinyl Rollenware, Fliesenkleber, Füll- und Spachtelmassen, Bundsteinputze und Leichtbauplatten (die Liste ist nicht vollständig).

 

Es hat sich leider gezeigt, dass es auch Handwerksbetriebe gibt, denen sehr wohl bewusst ist, dass Asbest in den Produkten enthalten sein könnte, dies jedoch einfach ignorieren, möglicherweise aus Angst davor den Auftrag zu verlieren, da sie wohl vermuten, dass die Kunden dann aufgrund von möglichen Mehrkosten abspringen könnten, wenn diese das Thema Asbest ansprechen. Diese Angst ist möglicherweise auch nicht unbegründet, da es doch sehr wahrscheinlich ist, dass der nächstbeste Handwerksbetrieb dieses Thema wohl vollständig übergehen oder den Vorgänger durch plumpe Verharmlosung auch noch diskreditieren könnte.

 

Dabei sind wir der festen Überzeugung, dass die Mehrheit der privaten Bauherren, die vorab über das Asbestrisiko aufgeklärt werden, auch eine entsprechende Untersuchung wünschen werden und auf eine fachgerechte Sanierung bestehen werden, da wohl kaum jemand freigesetzte Asbestfasern im Haus haben möchte.


Immer wieder erleben wir auch, dass bei Sanierungsarbeiten häufig die Meinung vertreten wird „das haben wir schon immer so gemacht, warum sollten wir jetzt anders handeln“ - Sorglosigkeit ist der falsche Ratgeber – früher war nicht alles besser!

Festgebundene Asbestprodukte

Bei Asbestprodukten muss man grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Verwendungsarten unterscheiden. Der Unterschied liegt in der Art des Bindemittels. Es wird unterschieden in fest- und schwach- gebundene Asbestprodukte.

Abbildung: Asbesthaltige Flex-Platten und asbesthaltiger Kleber
Abbildung: Asbesthaltige Flex-Platten und asbesthaltiger Kleber

Von festgebundenen Asbestprodukten
wird in der Regel gesprochen, wenn als Bindemittel Zement, PVC oder ähnliches zum Einsatz kam und der Asbestanteil relativ gering (häufig < 20 %) ist.

Für die Bewohner, die in einem Haus mit festgebundenen asbesthaltigen Bauprodukten leben, besteht in der Regel keine akute Gesundheitsgefahr durch eingebaute und intakte Asbestprodukte (z.B. Flex-Platten, Wellasbestplatten,auch der Fliesenkleber und der Bodenbelagskleber darf hier genannt werden).

 

Wenn festgebundene asbesthaltige Baumaterialien jedoch unsachgemäß entfernt oder bearbeitet werden, z.B. sägen, bohren, schleifen, brechen, stemmen usw., droht auch bei festgebundenen Asbestprodukten eine sehr hohe Asbestfaserfreisetzung.

Schwachgebundene Asbestprodukte

Abbildung: Cushion-Vinyl-Bodenbelag (Rückseitig aufgebrachte Schicht enthält schwach gebundenes Asbest.
Abbildung: Cushion-Vinyl-Bodenbelag (Rückseitig aufgebrachte Schicht enthält schwach gebundenes Asbest.

Schwach gebundene Asbestprodukte enthalten weit weniger Bindemittel (z.B. kein Zement wie bei Asbestzementprodukten) und haben einen weit höheren Anteil an Asbest.
Dadurch besteht bei schwach gebundenen Asbestprodukten häufig bereits im eingebauten Zustand ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Gefährliche Asbestfasern können bereits beim Berühren, leichten Erschütterungen, Vibrationen oder auch durch einfache Luftströmungen freigesetzt werden.

Abbildung: Spritzasbest (schwach gebundenes Asbestprodukt
Abbildung: Spritzasbest (schwach gebundenes Asbestprodukt

Beispiele für schwachgebundene
Asbestprodukte: Trockenbauplatten,
Spritzasbest auf Stahlträgern,
Asbestschnüre an Kaminen, die
Rückseite der Cushion-Vinyl-
Bodenbeläge (geschäumte Rollenware,
häufig mit Fliesenmuster oder auffällig
bunten Mustern bedruckt) und
Asbestpappen unterhalb von
Fensterbänken.

Stark erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Asbestfasern

Asbest ist ein krebserregender Gefahrstoff, daher sollte keine Asbestfaserfreisetzung in Innenräumen akzeptiert werden. Durch die asbesthaltigen Feinstäube besteht ein stark erhöhtes Gesundheitsrisiko aller beteiligten Personen, die mikroskopisch kleinen Fasern können bis tief in die Lunge vordringen. Gefährlich für die Gesundheit sind in diesem Fall die Stäube und Fasern, die man mit dem bloßen Auge überhaupt nicht wahrnehmen kann. Als gesundheitsgefährdend gelten Asbestfasern mit einer Länge von > 5 μm mit einem Durchmesser von < 3 μm und einem Verhältnis von Länge zu Dicke von mindestens 3:1. Die Fasern können bis in die Lungenbläschen (Alveolen) vordringen und sich im Lungengewebe dauerhaft ablagern. Eingeatmete Asbestfasern mit diesen kritischen Proportionen gefährden die Gesundheit, da diese Narbengewebe erzeugen können und die Fähigkeit besitzen bösartige Tumore (Krebs) zu verursachen.

Gefährliche Faserfreisetzung bei unsachgemäßer Bearbeitung

Werden Asbestprodukte unsachgemäß bearbeitet, können gefährliche Fasern in sehr hoher Anzahl freigesetzt werden. Dabei sind besonders die Angestellten der Handwerksbetriebe betroffen, die häufig ohne es überhaupt zu Wissen, asbesthaltige Materialien bearbeiten. Da dieses wichtige Wissen fehlt, wird ohne persönliche Schutzausrüstung (z.B. Atemschutz) gearbeitet. Es werden gefährliche Stäube freigesetzt, die durch die Mitarbeiter direkt eingeatmet werden und in dem Wohngebäude großzügig verteilt werden. Besonders häufig kommen Maler, Bodenleger, Fliesenleger, Elektriker, Sanitärunternehmen, Trockenbauer, Abrissunternehmen und auch Wasserschadensanierer in Kontakt mit Asbestprodukten. Neben den ausführenden Handwerkern werden im Zuge einer unsachgemäßen Bearbeitung auch die Bewohner oder auch die Nachbarn, z.B. in Mehrfamilienhäusern, einem erhöhten Risiko ausgesetzt.

Der Bauherr ist gefragt – Bei Sanierungen im Altbestand ist ein Schadstoffkataster erforderlich

Abbildung: Beprobung eines Fliesenklebers
Abbildung: Beprobung eines Fliesenklebers

Daher ist der Bauherr gefragt. Aus
Vorsorgegründen sollte dieser vor
jeder Sanierung im Altbestand
(Gebäude vor 1995) vor der
Auftragsvergabe ein Schadstoffkataster erstellen lassen, so wird es auch in Fachkreisen immer stärker gefordert. Erste Versuche hierzu gibt es bereits in der Baustellenverordnung und der TRGS 524, aber hier fehlt es noch an
Konkretisierung.

Bei einem Schadstoffkataster werden alle Materialien, die im Zuge der geplanten Sanierungsarbeiten bearbeitet werden sollen und Asbest enthalten können, vorab auf Asbest untersucht.

 

Schadstofferkundung ist also vordergründig die Bauherrenpflicht, nur zeigt sich leider immer wieder, dass in der Regel kaum ein Bauherr Kenntnis von dieser Schadstoffproblematik hat. Da der Bauherr es nicht besser weiß, verlässt er sich auf die beauftragten Fachfirmen. Daher sind besonders auch die Handwerksbetriebe gefordert und müssen auf die Gefahren durch Asbest hinweisen, da sie sonst ihre Mitarbeiter, bzw. Kollegen und Kunden einem hohen Gesundheitsrisiko aussetzen. Hier sind besonders die Geschäftsinhaber gefragt, diese dürfen sich keinesfalls Ihrer Verantwortung entziehen!

 

Vor Umbau- oder Abbrucharbeiten ist daher das Objekt, bzw. der geplante Sanierungsbereich, auf Schadstoffe, besonders auf Asbest, zu untersuchen. Im Zentrum dieser Forderungen steht der Schutz von den am Bau beschäftigten Personen und der Schutz der zukünftigen Gebäudenutzer. Neben dem Schutz von Handwerkern, Bewohnern und Nachbarn, ist eine vorherige Untersuchung auf Asbest auch für die spätere fachgerechte Entsorgung der Bauabfälle zwingend erforderlich.

Überdeckungsverbot auch für private Bauherren

Abbildung: PVC-Belag auf Flex-Platten
Abbildung: PVC-Belag auf Flex-Platten

Die aktuelle Gefahrstoffverordnung
regelt bundesweit das Überdeckungsverbot von asbesthaltigen Produkten. D.h., ist es bekannt, dass z.B. der Bodenbelag oder der freigelegte schwarze Kleber in einem Gebäude asbesthaltig ist, darf kein neuer Bodenbelag eingebaut werden, bevor das asbesthaltige Material fachgerecht ausgebaut wurde. Diese Verordnung gilt auch für private Haushalte. Holen Sie sich deshalb fachlichen Rat!

Schadstofferkundung und fachgerechte Sanierung

Bei einer Schadstofferkundung werden durch einen Sachverständigen im Zuge der Ortsbegehung von verdächtigen Materialien Materialproben entnommen, diese werden in einem Fachlabor auf Asbest untersucht.

Wird Asbest in den entnommenen
Proben festgestellt, müssen diese
Materialien fachgerecht durch einen
zugelassenen Asbestsanierungsbetrieb
ausgebaut werden.

Das beauftrage Sanierungsunternehmen muss über eine Zulassung nach der Gefahrstoffverordnung und über die Sachkunde nach TRGS 519 verfügen. Die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen und die erforderlichen Arbeitsverfahren werden durch die TRGS 519 vorgegeben. Die TRGS 519 konkretisiert die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung. Bei Auftragsvergabe ist auf die korrekte Qualifikation zu achten, damit es während der Sanierung nicht zu einer bitteren Überraschung kommt.

So soll es nicht sein! – Stark verdreckte Baustelle. Asbesthaltige Flex-Platten wurden achtlos herausgerissen, offenliegender asbesthaltiger schwarzer Kleber und asbesthaltiger Spachtelmasse, sogar der Besen steht praktischer Weise noch bereit:


So soll es sein! - Fachgerechte Sanierung -  Staubfreie Baustelle. Gearbeitet wird mit Unterdruck und direkter Absaugung:

Kosten und Nutzen

Bei vielen Endkunden und Handwerksbetrieben hält sich offenbar hartnäckig das Gerücht, dass eine Asbestsanierung unfassbar teuer oder gar unbezahlbar sei. Aus Angst vor diesen Kosten wird das Thema lieber ignoriert. Dabei ist es gar nicht möglich den Kostenrahmen so pauschal einzustufen. Aufgrund wichtiger fehlender Informationen darüber, wie eine fachgerechte Asbestsanierung abläuft, wird häufig vorschnell geurteilt. Der Kostenrahmen hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Um Kosten zu ermitteln muss zunächst definiert werden, welches Material in welchem Umfang ausgebaut werden muss und mit welchem Faserfreisetzungspotential dabei zu rechnen ist.


Die Spanne ist groß - von minimalen Eingriffen, z.B.: Entfernung einzelner Asbestzementschindeln, bis hin zu einer umfangreichen Spritzasbestsanierung, gibt es zahlreiche Abstufungen bei den entstehenden Kosten. Durch erfahrende Asbestsanierungsbetriebe entfällt zudem der sonst wohl übliche „Angstzuschlag“.
Der Umgang mit Asbest ist für erfahrene zertifizierte Fachbetriebe tägliche Routine und das nötige Know-how und Equipment steht stets bereit. Preise für eine fachgerechte Sanierung können nach Begehung der Baustelle konkret definiert werden.

Sanierungsverfahren

In der TRGS 519 werden die möglichen Sanierungsverfahren und die damit verbundenen Arbeitsschutzmaßnahmen festgelegt. Neben umfangreichen Asbestsanierungen, bei denen
4-Kammer-Personenschleusen, 2-Kammer-Materialschleusen, geregelte Unterdruckhaltung und abschließend Freimessungen erforderlich sind, gibt es jedoch auch Sanierungsverfahren, die eine deutliche Reduzierung dieser genannten Maßnahmen zulassen.

Abbildung: emissionsarmes Sanierungsverfahren BT33
Abbildung: emissionsarmes Sanierungsverfahren BT33

So gibt es für viele typische Anwendungen
speziell zertifizierte standardisierte
Arbeitsverfahren, die ein emissionsarmes
Arbeiten ermöglichen und aufwändige
Mehrkammerschleusen, Materialschleusen
Gutachterkosten und Freimessungen
überflüssig machen, bzw. stark reduzieren.
So gibt es z.B. auch für die Entfernung der
asbesthaltigen Vinyl-Asbest-Platten (Flex-
Platten) einschließlich des asbesthaltigen
schwarzen Klebers, emissionsarme
Sanierungsverfahren (z.B. BT33).

Diese genannten Verfahren (z.B. BT33)
gewährleisten ein emissionsarmes Entfernen
der Flex-Platten und beinhaltet ein besonderes emissionsarmes Schleifverfahren, mit dem der asbesthaltige Kleber nach Entfernung der Flex-Platten emissionsarm von dem mineralischen Untergrund mit speziellen Boden- und Handfräsen restlos abgetragen wird. Für kleine Eingriffe sieht die TRGS 519 die „Arbeiten geringen Umfangs“ vor, die bei Kleinstanwendungen angewendet werden und ebenfalls für einen erheblich reduzierten
Aufwand bei der Baustelleneinrichtung sorgen.

Abbildung: emissionsarmes Schleifverfahren BT33
Abbildung: emissionsarmes Schleifverfahren BT33

Sicherheit für die Zukunft und wirtschaftlicher Nutzen

Wird das Eigenheim vollständig von asbesthaltigen Bauprodukten befreit, besteht zukünftig nicht mehr die Gefahr, auch bei kleineren Eingriffen versehentlich in Kontakt mit Asbest zu kommen. Zudem muss in asbestsanierten Gebäuden in Zukunft nicht mit einer Wertminderung, verursacht durch asbesthaltige Produkte, gerechnet werden.

 

28.10.2020

Dipl.- Inf. (FH) Nils Heidelberg

HW Schadstoffsanierung
Hamburger Landstr. 22a, 21357 Bardowick
www.asbestentferner.de

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